Podiumsdiskussion

"Organweitergabe ist die letzte konkret praktizierbare Nächstenliebe"

40 Jahre Hilfsgemeinschaft für Dialysepatienten und Transplantierte –Öffentlichkeitswirksame Podiumsdiskussion

 

Regensburg/Irl. "Die Zeitspanne von 40 Jahren an der Dialyse oder mit einem funktionierenden Transplantat überleben zu dürfen, ist für jeden Einzelnen von uns und für seine Familie ein bedeutsames Ereignis, da es geschenkte Jahre sind", so stellt Rektor a. D. Siegfried Bäumel aus Mallersdorf, Vorsitzender der "Hilfsgemeinschaft der Dialysepatienten und Transplantierten Regensburg/Straubing e. V." das Leben mit einem Spenderorgan vor. Die Selbsthilfegruppe aus der  Region Regensburg-Kelheim-Straubing feierte am vergangenen Wochenende ihr 40jähriges Bestehen.  "An diesem Tag möchten wir uns im Namen aller derzeit 105.000 niereninsuffizienten Patienten in der Bundesrepublik bedanken bei allen, die unser Weiterleben ermöglicht haben. Für uns ist Organspende nämlich nicht nur eine Gabe, sondern auch  Aufgabe."

Aus den 13 Patienten, die sich 1976  zusammenschlossen, ist mittlerweile eine große Gemeinschaft von über 300 Mitgliedern entstanden, die sich gegenseitig  stützen und durch Information und Aufklärung von kooperationsbereiten Medizinern, ihre Krankheit besser akzeptieren und bewältigen lernen. Bäumel dankte den zahlreichen Referenten, die sich bereitwillig mit ihrem Wissen und ihrer Kompetenz in ihrer Freizeit den Patienten zur Verfügung stellten.  Reisen trotz Dialyse war in den vergangenen vier Jahrzehnten ein wichtiges Ziel der Gruppe, gemeinsame Freizeitaktivitäten und gesellschaftliche Zusammenkünfte wurden immer gerne angenommen und brachten Farbe in den oft grauen Alltag der Patienten. Ebenso bietet die Hilfsgemeinschaft ihren Mitgliedern professionellen psychologischen Beistand in schwierigen Lagen an.   "Wir wollen im Verein mit der psychosozialen Arbeit und Betreuung unserer Patienten die medizinische Versorgung sinnvoll ergänzen und den Patienten ein lebenswertes Leben ermöglichen", so umschrieb Bäumel die Ziele der Hilfsgemeinschaft.

            Hundert Patienten und Interessierte trafen zum Teil von weither aus Niederbayern und der Oberpfalz  im Hotel Richard Held in Regensburg/Irl ein und wurden von der Vorstandschaft herzlich willkommen geheißen, ging es doch um ein Thema, das möglicherweise jeden treffen kann, das Thema „Organspende“, das von namhaften Referenten beleuchtet und tiefgründig besprochen wurde. Die Möglichkeit, eines Tages selbst auf ein Spenderorgan angewiesen zu sein, ist um ein Vielfaches höher, als als Spender in Frage zu kommen, betonte der Vorsitzende.  Zunächst sprach Oberbürgermeister Joachim Wolbergs sein Grußwort, in dem er die ehrenamtliche Arbeit der Vorstandschaft und das exzellente Engagement der Mediziner würdigte und ihnen weiter viel Mut und Erfolg in ihrer wichtigen Aufklärungsarbeit wünschte.  Staatsminister Dr. Markus Söder übermittelte in seiner Videobotschaft  Dank und Anerkennung an die gesamte „Hilfsgemeinschaft“ mit der Bitte um weiteren Einsatz zum Wohl der Patienten.

Leben mit der Dialyse

            Zunächst stellte Frau Prof. Dr. Marianne Haag-Weber, Leiterin des KfH Nierenzentrums Straubing, das Leben mit Dialyse vor, die als Hämodialyse oder auch als Peritonealdialyse (Bauchfelldialyse) durchgeführt werden kann. Dabei gab sie zu bedenken, dass die wöchentliche Dialysezeit nur 12 bis 15 Stunden betrage, während die Nieren 156 Stunden pro Woche arbeiten. Die „Lebensader“ für Dialysepatienten sei der Shunt, der „Kurzschluss“ zwischen Ader und Vene, was jedoch zu Infektionen, Thrombosen oder Durchblutungsstörungen sowie zu kardialer Belastung führen kann. Mögliche Einschränkungen durch Hämodialyse seien notwendige Punktionen, Abhängigkeit von Maschine und Mensch, feste Dialysezeiten und Fahrten zum Dialysezentrum. Aber auch die Peritonealdialyse habe Nachteile, denn der Wechsel der Dialyselösung sei mehrmals am Tag notwendig, ständiger Katheter und Raum für Material seien weitere Einschränkungen. Außerdem ist es erforderlich, ständig auf Ernährung zu achten, hier insbesondere auf Kalium, Natrium und Phosphatzufuhr. Vernachlässigung könne  zu Herzrhythmusstörungen bis zum Herzstillstand führen. Je nach Nierenrestfunktion dürfe die Trinkmenge Ausscheidung plus 500 ml nicht übersteigen.- Der Funktionsverlust der Nieren zeige sich in der Anreicherung von Urämietoxinen, von Salz und Flüssigkeit, von Kalium und Phosphat. Deshalb ist auch die Lebenserwartung von Dialysepatienten deutlich vermindert im Vergleich zu gleichaltrigen gesunden Menschen.

Stand der Organspende und Transplantation heute

Ausgehend vom beeindruckenden Jahresplakat der „Hilfsgemeinschaft“ mit der Aufschrift „Wir dürfen weiterleben. DANKE unseren Organspendern“, auf dem sich sieben transplantierte Nierenpatienten für insgesamt 94 geschenkte Lebensjahre bedanken, referierte Prof. Dr. Bernhard Banas, der Leiter des Transplantationszentrums an der Uniklinik Regensburg. Dabei berichtete er von ca. 115.000 Organtransplantationen von Herz, Niere, Lunge, Leber und Pankreas pro Jahr weltweit. Zunächst stellte er das deutsche Gesundheitssystem als eines der besten weltweit vor, wie 82 Prozent der Deutschen bestätigen (Allensbach-Umfrage, Februar 2013). Gemäß Artikel 2 des Grundgesetzes habe Jeder das Recht auf Leben. Der internationale Vergleich der postmortalen (nach dem Tod) Organspenden zeige deutlich die desolate Situation von Organspenden, die in Deutschland nur 10,7 Spender pro Million Einwohner aufweist und damit nur geringfügig über den letzten Ländern Griechenland, Rumänien und Bulgarien mit je 5 Spendern liegt. Zum Vergleich dazu kann Malta, Belgien oder Spanien  33 Spender pro Million vorweisen. – Auf der Suche nach Gründen für diese Entwicklung sei nach den Worten des Referenten 2012 die Novellierung des Transplantationsgesetzes in Richtung Entscheidungslösung erfolgt, die aber keinerlei Spenderzuwachs bringen konnte. Er bezeichnete die Aktion „Niere gegen Geld“ als kriminell, wofür in Deutschland kein Platz sei. Was man tun könne, um die Lage zu verbessern und Leben zu retten, sei eine Kultur der Organspende und Transplantation, die er in einer breiten gesellschaftlichen Diskussion beider Themenbereiche sieht.

Letztendlich ging Prof. Banas noch auf die Situation im Transplantationszentrum Regensburg ein und belegte die Transplantationen am UKR seit 1995: 734 Lebertransplantationen, 230 Herzen, 92 Bauchspeicheldrüsen und 1104 Nieren.

Meine Tochter schenkte vier Kranken eine neue Lebenschance

Brigitte Herzog, Mutter einer jungen Organspenderin, berichtete sodann ganz emotional, jedoch sehr gefasst, über die Gedanken von Eltern, deren einziges Kind vier chronisch Kranken nach ihrem Tod eine neue Lebenschance geschenkt hat. Ihre  19-jährige Tochter hat sich als Krankenschwester aus eigener Überzeugung für die Organspende entschieden und hat so nach ihrem tragischen Unfalltod 2013 „eine Spur christlicher Nächstenliebe“ hinterlassen, wie der hl. Papst Johannes Paul II. nannte. Ihr Herz schlägt beispielsweise für eine junge Mutter und eine Niere reinigt das Blut eines Jungen. So lebt sie in den Empfängern ihrer Organe weiter. Sie gab uns ein Beispiel großartig praktizierter  Nächstenliebe über den Tod hinaus.

12.000 Patienten, davon 1.700 allein in Bayern, warten derzeit auf den lebensrettenden Anruf des Transplantationszentrums: „Wir haben ein passendes Spenderorgan für Sie.“

            Reger Erfahrungsaustausch unter Patienten, Angehörigen, Gästen und Medizinern entstand und viele informative Gespräche wurden geführt. Der bekannte Gastronom Richard Held bot in seinem schön geschmückten Haus ein ausgezeichnetes Festbuffet, zu dem die Vorstandschaft der Hilfsgemeinschaft ihre Gäste im Anschluss einlud.

(Fotos und Text: Siegfried Bäumel)